Mondlandschaft
22 km • + 1.749 hm • - 601 hm
Es ist noch kalt heute morgen und der Lago di Cignana (2.156
m) liegt noch im Schatten. Unsere Auffahrt auf dem Schotterweg zum Finestra
di Cignana (2.441 m) wird von einer großen Kuhherde begleitet.
An einer Alm erreichen wir endlich die Sonne. Dafür endet hier der bequeme
Schotterweg
und wir müssen die 150 Höhenmeter hinauf zum Pass schiebend auf der
nassen Almwiese zurück legen.
Oben angekommen sehen wir bereits das erste Stück der Abfahrt vor uns.
Ein wunderbar flowiger Trail führt am Hang entlang. Schnell sind die Protektoren
angelegt und ab geht´s. Dann die erste Kehre nach Links, ein Blick nach
vorne und mir verschlägt es fast dem Atem. Plötzlich steht der wohl
markanteste Berg der Erde direkt vor mir. Wow!
Und dann dieser Trail!
Flowig, ein Kicker, Sprung, Kurve und das vor dieser Kulisse…einzigartig!
Der Charakter des Trails wechselnt nun ständig. Schnelle Abschnitte können
mit Speed gefahren werden. Immer wieder werden wir von etwas ruppigeren Passagen
abgebremst, spielen gekonnt mit Felsen, Spitzkehren und hohe Stufen. Dann erreichen
wir die Baumgrenze. Einige kniffelige Wurzelpassagen ergänzen nun das Repertoire
dieses anspruchsvollen und abwechslungsreichen Trails.
Obwohl wir jetzt im Wald sind sehen wir weiterhin immer wieder das Matterhorn
voraus. Einige Spitzkehren laden zum Versetzen des Hinterrades ein. Letztendlich
landen wir bei 1.800 m auf der Straße, welche durch das Val Tournenche
bis Breuil (2.006 m) führt. Auf dieser müssen wir
noch 200 hm hinauf kurbeln. Oben abgekommen versorgen wir uns erst einmal in
einem Supermarkt mit reichlich Vorräten und brechen bald wieder auf zum
langen Anstieg in Richtung Theodulpass (3.317 m). Uns erwarten
jetzt noch 1.300 Höhenmeter auf den derzeit höchsten Mountainbike-tauglichen
Pass der Alpen.
Leider führt uns dieser Weg keineswegs durch eine unberührte Berglandschaft!
Statt dessen müssen wir mit einer von Skipisten durchfurchten und mit grauenhaft
schäbiger Architektur verseuchten Mondlandschaft nach oben arbeiten. Das
Wort Architektur ist eigentlich unpassend, man sollte eher von barackenartiger
Slum-Bauweise sprechen. Wir rasten kurz am Rande der Skipiste an einem Bach
und machen uns bald wieder auf unseren beschwerlichen Weg. Die Ski-und Schotterpisten
sind oftmals extrem steil, so dass das Fahren nicht immer möglich ist.
Nach einiger Zeit haben wir die letzte Liftstation hinter uns gelassen und erblicken
bereits die Hütte neben dem Pass.
In diesem Jahr sind die Schneereste fast komplett verschwunden, so dass wir
nur einige winzige Schneefelder durchqueren müssen. Dave schlägt irgendwann
das Bike tragend den direkten Wanderweg nach oben ein. Quer durch das Geröll
und über Felsbrocken steigt er hinauf. Wir bleiben auf dem Pistenweg und
benötigen daher ca. 20 min länger als er.
Schließlich erreichen wir gegen 16.00 Uhr die Hütte. Eigentlich hätten
wir nun noch Zeit bis nach Zermatt (1.606 m) abzufahren. Wir
hoffen jedoch auf Nachtfrost und auf einen somit problemlos befahrbaren Gletscher
morgen früh. Heute, an diesem warmen Nachmittag erwartet uns dagegen auf
dem Eis nur eine sumpfige Masse aus angeschmolzenem Firn.
Gemütlich sitzen wir in der Hütte am großen Panoramfenster
und die Blicke schweifen über die einzigartige Bergwelt. Das Skigebiet
ist aus der Ferne nicht mehr ganz so schlimm und abstoßend. Mit einem
Fernglas können wir sogar den Trail vom Finestra di Cignana entdecken und
nochmals diese wunderbare Abfahrt Revue passieren lassen.
Nach dem reichhaltigen Abendessen gibt es nochmals großes Kino. Seit dem
Nachmittag ist das Matterhorn in Wolken gehüllt. Langsam nähert sich
die Sonne am Horizont den westlichen Berggipfeln. In dem Moment als sie hinter
diesen verschwindet werden die Wolken schlagartig von unten beleuchtet. Eine
beeindruckendes Schauspiel!
Fazit:
- Lockere Etappe vor beeindruckender Kulisse.
- Geniale Abfahrt vom Finestra di Cignana.
- Leider hat die Landschaft unter der Skipisten-Bauwut sehr gelitten.