Geröllfeld und Hitzeschlacht
67 km • + 2.660 hm • - 2.950 hm
Es ist früh am Morgen und draußen werfen die umliegenden Berge noch
lange Schatten auf uns herab. Wir müssen kurz 100 Höhenmeter zurück
bis zum Abzweig zur Alpe Ponton (2.632 m) fahren. Ab hier geht
es auf Schotter bergauf. Schnell wird uns in den Jacken zu warm, also weg damit
und rein in die Rucksäcke. An der Alm zweigt ein Wanderweg hinauf auf den
Pass ab. In steilen Serpentinen geht es auf erdigem Grund nach oben. Schön
anzusehen liegt der Lago
Ponton unter uns in einer Senke, die Bergkette im Süden ist von einem
malerischen Wolkenband umwickelt. Einzig die Hochspannungsleitung hinauf zur
Passhöhe beeinträchtigt das Gesamtbild.
Die Auffahrt zum Colle Pontonnet (2.897 m) legen wir teils
schiebend, teils fahrend zurück. Auf einer Anhöhe erblicken wir schließlich
den Pass über den auch die Starkstromleitung führt. Zunächst
geht es aber nochmals auf einem schönen Trail bergab, dann entlang eines
kleinen Sees, bevor uns der Schlussanstieg hinauf auf den Pass erwartet. Nochmals
müssen wir einige Höhenmeter schiebend und tragend überwinden.
Der Trail durch die Moräne ist im guten Zustand und einfach zu bewältigen.
Oben angekommen am Colle Pontonnet weht ein eisiger Wind. Fels und Geröll prägen hier oben das Landschaftsbild. Eine verfallende Militärbaracke und einige Steinmauern zeugen von der früheren Nutzung dieses strategisch wohl wichtigen Überganges. Bald brechen wir wieder auf und fahren auf einem Bergrücken abwärts. An einer Hütte auf dem Col Fenis (2.831 m) beginnt der kaum sichtbare Weg ins Vallone di Fenis. Zunächst fahren wir auf gut verfestigtem Untergrund hinab. Ich entdecke hier die Spuren eines Bikers, der hier vor wenigen Tagen durchgekommen ist, vieleicht sogar Lukas Stöckli bei seinem Projekt „Gipfelstürmer“.
Nach wenigen Metern stehen wir an einem Steilabbruch.
Das Landschaftsbild hat sich abermals gewandelt. Wir finden uns in einem Gewirr
aus Felsen und lockerem Geröll wieder. Schnell wird uns klar, der Colle
Pontonnet ist kein guter Übergang. Die Abfahrt ist der absolute Wahn! Lockere
Felsbrocken, extreme Steinschlaggefahr, in der Gruppe nur einzeln begehbar,
insofern man hier von Gehen sprechen kann.
Ich laufe als erster hinab, Dave versucht ein Stück weiter oben einen Weg
durch das wilde Gewirr von Felsen zu finden. Ich trete einen Stein los, er rollt
donnernd nach unten, reißt weitere Brocken los. Zum Glück ist unter
mir niemand. Ich rufe zu Dave hinauf, dass er erst einmal abwarten soll, bis
ich aus seiner Abbruchzone heraus bin, bevor er weiter geht.
An jetzt halten wir Abstand, damit wir uns beim Abstieg nicht gegenseitig gefährden.
Schließlich entdecken wir auf der westlichen Talseite einige gelbe Markierungen.
Wir queren das nun recht flache Geröllfeld
dorthin und gelangen endlich wieder auf den ehemaligen Wanderweg. Dieser
kommt von weiter oben, verschwindet aber bald darauf ebenfalls unter dem mächtigen
Felssturz.
Der folgende Trail ist ganz gut befahrbar und wartet mit einigen fahrtechnisch
interessanten Passagen auf. Leider endet er viel zu früh an der Grand
Alpe (2.100 m). Ab hier führt nur noch ein Schotterweg hinab ins
Tal.
Die weitere Abfahrt gestaltet sich für uns ziemlich unspektakulär.
Wir vernichten sinnlos Höhe auf der Schotterpiste. Netterweise ist die
Sache noch mit einem steilen Gegenanstieg gespickt. Zu allem Überfluss
wird kräftig gebaut, der Weg besteht nur noch aus feinem Staub und der
drohende LKW Verkehr zwingt uns zu ziemlich behutsamer Abfahrt.
Irgendwann erblicken wir das Matterhorn. Seine markante Silhouette ragt in den
Himmel empor.
Auf einer Höhe von 1.070 m bei Leffrey zweigt ein Schotterweg nach links
ab. Wir orientieren uns kurz anhand der Karte und beschließen den dort
einzeichneten Trail zu probieren. Es geht zunächst einige Meter bergauf,
wir passieren ein paar Gärten und am Ende einer Wiese stehen wir vor dem
Einstieg in einen Trail. Volltreffer! Ein wunderbar verschlungener Weg mit engen
Kehren und einigen Absätzen. Scheinbar wird hier öfters gefahren,
denn die Ideallinie ist wunderbar vorgezeichnet. Nach und nach verlassen wir
den Wald, das Gelände wird offener, der Untergrund staubtrocken. Wir kreuzen
noch einige Schotterwege und gelangen auf Trails hinab bis nach Barche
(586 m).
Dort angekommen wollen wir erst einmal was essen. Leider ist die einzige Bar
im Ort völlig von Einheimischen überfüllt und die zwei älteren
Damen schaffen es einfach nicht dem Andrang Herr zu werden. Daher brechen wir
wieder auf und fahren weiter nach Chambave (475 m).
Hier unten im tief liegenden Aostatal ist es heiß, ein warmer Wind weht
uns entgegen. Leider finden wir auch in den nächsten Ortschaften keine
Möglichkeit etwas zu Essen zu bekommen. Auch die Lebensmittelläden
haben schon wieder einmal geschlossen. Also geht es den Berg hoch. Im nächsten
Ort wird es sicher was geben.
Der Wind macht die Auffahrt bei über 30°C halbwegs erträglich.
In S. Denis (809 m) betreten wir wieder eine Bar. Küche
geschlossen, also jeder zwei Glas Cola, zwei Tüten Chips und eine Portion
Eiscreme aus der Tiefkühltruhe. Am Brunnen im Ort können wir wenigstens
noch unsere Trinkflaschen füllen. Noch 500 Höhenmeter bis zum nächsten
Ort mit Pizzeria. Egal, inzwischen haben wir den ersten Hunger überwunden
und quälen uns weiter bergauf.
Endlich in Sémon (1.301 m) angekommen wird unsere Hoffnung
auf eine Portion Nudeln oder gar eine Pizza natürlich wieder enttäuscht.
Essen erst ab 19.00 Uhr. Selbstverständlich macht auch der kleine Alimentari
im Ort immer noch Siesta.
Glücklicherweise haben wir inzwischen über 1.000 Höhenmeter mit
leerem Magen überwunden und wir verlassen langsam das heiße und trockene
Aostatal. Zunächst spenden einige Bäume Schatten, später erreichen
wir endlich den kühleren Wald. Unseren ursprünglichen Plan das Skigebiet
Torgnon westlich auf dem Höhenzug zu umfahren, lassen
wir angesichts unserer Versorgungslage fallen. Stattdessen fahren wir kurz unterhalb
des Col des Bornes (1.774 m) auf der Straße in den Ort Mongnod
(1.489 m) hinab.
Dort angekommen finden wir gleich einen geöffneten Supermarkt. Auf dem
Marktplatz werden die soeben gekauften Lebensmittel sofort vernichtet. Nebenher
können wir im Brunnen noch einige Kleidungstücke waschen und in der
Touristinfo nach einer Übernachtungsmöglichkeit nachfragen.
Dann der Nächste Tiefschlag, der geplante Übernachtung in der Rifugio
Barmasse (2.169 m) scheint zu platzen. Ausgebucht! Wir beschließen
trotzdem die verbliebenen 500 Höhenmeter hinauf zur Hütte in Angriff
zu nehmen und notfalls ins Tal ab zu fahren.
In endlosen Serpentinen führt die Straße durch das Skigebiet von
Torgnon aufwärts. Später auf fahren wir am Hang entlang auf einem
leicht steigenden Wirtschaftsweg bis zu einem kleinen See bei Loditor
(1.962 m). Ab hier geht es über die Almen Telinod und
Gilliarey (2.186 m) unterhalb des Finestra d`Ersa (2.290 m)
auf einem Schotterweg entlang. Wir hatten zuerst befürchte über diesen
ca. 200 Höhemeter oberhalb gelegenen Übergang zu müssen und sind
über die nicht ganz geplante Umfahrung alles andere als unglücklich.
Langsam dämmert es und es wird wieder kalt. Leider müssen wir bis
zur Rifugio Barmasse am Lago di Cignanna nochmals einige Höhenmeter auf
Schotter abwärts fahren, um dann bald darauf nochmals einen Schlussanstieg
von knapp 300 Höhenmetern zu bewältigen.
Die als Option geplante Abfahrt auf einem Trail nach Pâquier (1.528 m)
liegt bereits im Schatten der umliegenden Berge. Daher sind wir froh darüber,
dass unsere Nachfrage nach einer Übernachtungsmöglichkeit im Rifugio
Barmasse jetzt doch noch positiv beantwortet wird. Obwohl in der Hütte
immer noch einige Betten unbelegt sind, hatte man uns bei unserm Anruf vor drei
Stunden in Mongnod auf der Touristinfo noch gesagt, die Hütte sei ausgebucht
...
Nach dem etwas knappen Abendessen schaffen es Roland und Dave noch warm zu duschen.
Für mich und Rolf bleibt leider nur noch kaltes Wasser aus dem überlasteten
Boiler übrig. Egal, es gibt schlimmere Dinge als kaltes Wasser.
Fazit
- Grauenhafte Abfahrt vom Colle Pontonnet
- miserable Versorgungslage
- lange Überführungsetappe.