Projekt Viertausend
20. bis 26. Juli 2009
Schon im Herbst letzten Jahres hatten wir uns für 2009 einen besonderen Saisonhöhepunkt vorgenommen.
Felix, Hannes und ich wollten die Viertausend-Meter-Marke knacken!
Und damit das Unterfangen wirklich Sinn macht, sollte bergab auch möglichst alles fahrbar sein.
Das Ziel war daher das Bishorn im Oberwallis,
einer der einfachsten Alpen-Viertausender mit 4.153 m Höhe.
Am Matterhorn
Es ist ca. 4:30 Uhr am Montag Morgen den 20. Juli, als mich Felix und Hannes abholen.
Nach einigem Hin und Her und dem Verstreichen unseres ersten Zeitfensters, fahren wir also doch noch ins Wallis!
Geplant waren ursprünglich drei sehr attraktive Gipfel (k. A. nach dem Vertrider Ehrenkodex) mit dem Bishorn als Krönung.
Alleine fürs Bishorn brauchen wir dabei mit Akklimatisierungstour, Aufstieg und Abfahrt
drei Tage. Doch da das Wetter zu unbeständig ist, rechnen
wir für diese Woche eigentlich nicht mehr mit dieser Gipfelbesteigung und haben das
Unterfangen auf Anfang August verschoben.
Außerdem habe ich noch Probleme mit meiner linken Hand, die ich mir eine Woche zuvor leicht verstaucht hatte.
Nach dem verregneten und verschneiten Wochenende soll der Himmel aber
zumindest bis Mittwoch Abend dicht halten. Dann könnte es ja wenigstens
für die anderen zwei Gipfel-Highlights reichen!
Die Steigeisen fürs Bishorn sind auf jeden Fall nur pro forma dabei.
Also, auf ins Mattertal wo wir ein paar Stunden später Bernhard (IBC: spectres)
in Täsch aufsammeln und
zu einer Tour aufbrechen, die ich 2006 bereits mit Flo und Laurent gefahren bin.
Und dank der Bergbahn erkaufen wir uns bereits mittags für 8 CHF mit einem kleinen Stück Kuchen einen Platz
auf der Terrasse unterhalb des Matterhorns, schnaufen die klare Bergluft
auf über 3.000 m Höhe, genießen das Viertausender-Panorama und freuen uns auf die bevorstehende Abfahrt.
Angespornt durch die ungläubigen Wanderer und Ausrufe wie "I love you for what you do!",
vernichten wir die felsigen Höhenmeter.
Nach der Abfahrt und einer gemütlichen Brotzeit ist erstmal wieder Schieben und Tragen angesagt.
Dafür können wir anschließend auf dem leichten Höhenweg zu unserer Unterkunft die einmalige alpine Landschaft in Ruhe aufnehmen,
Fotos knipsen, 'nen Platten flicken und sich über ein defektes Autoventil ärgern. LoL
Trotzdem sind wir etwas im Stress, denn Punkt 19 Uhr gibt's Abendessen auf unserer Hütte.
Ansonsten hätten wir uns noch mehr Zeit gelassen und auf das Abendlicht gewartet.
Zum Glück kommen wir trotz der Pannen dennoch kurz vor dem Abendessen an der Hütte an
und freuen uns nach dieser erfolgreichen Einroll-Tour schon auf die nächsten zwei Tage wo es noch höher hinaus soll.
Was lange währt ...
Um 6.30 Uhr geht's wieder raus aus den Federn!
Zuerst mal 'nen prüfenden Blick zum Himmel werfen.
Hmm, warum ist's denn so bewölkt? Es soll doch sonnig werden?! Na, vielleicht wird's ja noch ...
Das verstauchte Handgelenk hat sich dafür nicht verschlimmert.
Ich war ja darauf vorbereitet nach zwei, drei Tagen abbrechen und wandern zu müssen.
Das stimmt mich wieder positiv.
Jetzt aber erstmal frühstücken (top Müsli mit frischem Obst!),
sich von den freundlichen Wirtsleuten verabschieden und dann kann es auch schon zur angeblichen Erstbefahrung losgehen.
(Was der Wirt wohl gedacht hatte, als nur paar Tage später Harald Philipp kam und anschließend IBC Lemming? *bg*)
Jetzt sollte es also endlich klappen! Dieser Gipfel stand schon seit drei Jahren ganz oben auf meiner Liste.
Doch jedes Mal ist irgendwas dazwischengekommen!
Von der Hütte aus sind es nur noch ca. 1.100 Hm und wir können relativ viel schieben und sogar ein wenig fahren.
Die Bewölkung nimmt aber immer mehr zu, das Matterhorn wird schließlich ganz verschluckt und jetzt fängt's auch noch zu regnen an!
Der flotte Wanderer der uns vor einer halben Stunde bereits überholt hatte kommt uns auf einmal wieder entgegen.
Er sei bereits bei der Gletschertraverse gewesen und da würde es schneien.
Och neee! Bei der Suppe auf dem Gipfel zu stehen bringt's ja nun auch nicht wirklich.
Sollte es schon wieder nichts werden?
Alleine Felix lässt sich nicht aus der Ruhe bringen und geht einfach so weiter,
während wir die Regenklamotten bei jedem Schauer wieder aus- und einpacken.
Und tatsächlich - im Süden tauchen auf einmal wieder blaue Wolkenlücken auf,
das Wetter beruhigt sich ... und auch der Wanderer überholt uns erneut.
Es gibt allerdings auch eine schlechte Nachricht!
Bernhard hat arge Knieschmerzen und wird den Trip nach der Abfahrt abbrechen müssen
- die Nachwirkung des Sturzes, als vor einigen Monaten sein Steppenwolf-Rahmen unter ihm nachgab.
Vor dem größeren Schneefeld unterhalb des Gletschers lässt er schließlich das Bike liegen und geht ohne Zusatzgewicht weiter.
Den Gletscher haben wir dann auch bald überquert, während uns Bernhard vom Nachbargipfel aus zuschaut.
Dabei biete sich uns ein toller Anblick!
Wie ein Reißzahn ragt unser Ziel aus der weißen Ebene hervor.
Darin eingraviert ein steiler, sich windender Singletrail.
Oben angekommen bewundern wir die sagenhafte Aussicht ... und werden witzigerweise selber wiederum von den Wanderern bewundert.
Diese sind ganz begeistert, als wir am steilen Fels zur Abfahrt übergehen und als
wir zurückblicken winken sie uns nach. Wir winken zurück und freuen uns dabei als
Bikebergsteiger akzeptiert zu werden.
Die 1.800 Hm lange Abfahrt bietet zwar keine größeren technischen Herausforderungen
(es sei denn man möchte no-foot über Gletscher und Schneefelder *g*),
dafür aber viel Flow und nimmt unten raus immer mehr Fahrt auf.
In Zermatt angekommen bin ich schon mal super glücklich.
Das erste Tourhighlight ist nach den Anläufen der letzten Jahre endlich geglückt!
Als wir uns beim Bergsteigerbüro die neusten Wetterprognosen geben lassen, gibt's jedoch erstmal 'nen Dämpfer!
Für morgen Mittag sind Gewitter vorhergesagt.
Mit denen hatten wir eigentlich erst ab dem späten Nachmittag gerechnet.
Und wir werden von Bernhard noch mal gewarnt.
Gerade im Wallis können diese sehr schnell entstehen und recht heftig ausfallen!
Schade, aber mit der Vorhersage müssen wir unser zweites Tourhighlight für streichen und uns mit den 'normalen' Hochtouren zufrieden geben.
Sonst wären wir jetzt in ein anderes Tal gefahren und zur nächsten Hütte hochgestiegen.
Und der Donnerstags sieht auch weiterhin übel aus und nachdem wir in einem Internet-Café die Lage sondiert haben,
entschließen wir uns kurzerhand nach Locarno zu fahren. Das südliche Tessin scheint die Tage sehr viel besser wegzukommen.
In Täsch verabschieden wir uns also von Bernhard und machen uns auf den Weg ins Tessin.
Bis wir ihm Rhonetal angekommen sind, haben wir den Plan jedoch schon wieder umgekrempelt.
Das Wochenendwetter soll im Wallis ja wieder gut werden und dann könnten wir rein theoretisch vielleicht doch noch das Bishorn machen!
Auch wenn wir vor der Fahrt schon gar nicht mehr recht dran dachten, so wollen wir uns die Option doch offen halten.
Im südlichen Tessin kämen wir aber für die Akklimatisierung nicht so hoch wie wir wollten. Und in dem Punkt wollen wir lieber übervorsichtig sei.
Wie entschließen daher doch im Oberwallis zu bleiben und dafür Touren mit schnellen Rückzugsmöglichkeiten vor den Gewittern zu unternehmen.
Da hatte ich ohnehin schon was im Sinn. Und vielleicht haben wir ja doch noch Glück mit dem Wetter!
Regen im Rhonetal
Am Mittwoch versuchen wir frühstmöglich auf den nächsten Dreitausender zu gelangen,
da für den Mittag ja mit Regen und Gewittern zu rechnen sei.
Deshalb gönnen wir uns auch Aufstiegshilfen in Form von Postbus und Bergbahn.
Dummerweise hat es der Regen noch eiliger als wir und so bekommen wir bereits
am Vormittag den ersten - glücklicherweise nur kurzen - Schauer ab.
Dafür erleben wir heute morgen ein wirklich eindrucksvolles Naturschauspiel!
Auf der gesamten Länge des von uns übersehbaren Rhonetals drücken die Wolken
auf breiter Front von Süden über die Bergkämme und fallen
wie ein gigantischer Wasserfall in die Täler hinab.
Wir beobachten fasziniert, wie einzelne Wolkenballen die steilen Flanken
richtig "hinunterfließen", .... während ich mich gleichzeitig darüber ärgere
nur das Superweitwinkel dabei zu haben!
Ich hatte mich nämlich mit Bernhard bei den Objektiven abgesprochen und so nur dieses mitgenommen.
Aber all zu lange können wir uns das Spektakel auch nicht anschauen,
da die dunklen Wolken aus dem Westen auch nicht nachlassen und wir heute noch zwei Gipfel auf dem Plan haben.
Es ist nicht mehr weit und bald schon stehen wir auf dem ersten Tagesziel.
Hier oben sehen wir nun auf einen tief unter uns fließenden Gletscher und
bewundern den Höhenweg, der in die Steilflanke der gegenüberliegenden Seite richtig hineingeschlagen scheint.
Die Abfahrt ist anfangs noch recht heftig. Die ersten Meter schieben wir,
doch dann geht's immer besser voran.
Nach dem Fels am Gipfel fahren wir erst über Geröll
und schließlich immer erdigeren Untergrund,
bis wir beim Almgelände ankommen, die Bremsen weiter öffnen können
und mit Schuss durch die Wiesen zum nächsten Anstieg heizen.
Das Timing ist perfekt! Vor dem nächsten Wanderabschnitt wollen wir ohnehin noch einmal rasten und kurz nachdem wir eine kleine Brücke erreichen, fängt auch der nächste Regenschauer an. Also, ab unter die Brücke! Zwischen den Holzlatten tropft es zwar auch durch, aber wir sind trotzdem froh über den Unterstand.
Nach einer 3/4 Stunde scheint sich das Wetter wieder etwas beruhigt zu haben.
Schnell brechen wir wieder auf und machen uns auf den Weg hinauf zu einem grün bewachsenen Bergkamm den wir entlangfahren wollen.
Nach einiger Zeit tröpfelt es wieder leicht, was mir bergauf jedoch als Erfrischung sogar willkommen ist.
Hannes rast irgendwann wieder davon und ist 10 min vor uns oben ... um sich schnell noch ein stilles Örtchen für eine private Sitzung zu suchen.
Dort ist es allerdings recht kalt und stürmisch!
Ich kann kaum meine Regenjacke anziehen und bei einer Böe bleibt mir beinahe der Atem weg.
Zum Glück wird es bald besser und der Pfad ist auch gut fahrbar.
Es dauert nicht lange und wir erreichen den höchsten Punkt, einem Grasgipfel auf unserem Kamm.
Von nun ab geht's 1.900 Hm nur noch bergab und nun hält auch der Himmel dicht.
Die Sonne setzt sich langsam wieder durch und wir freuen uns über die abwechslungsreichen Wege.
Kurz vor der Baumgrenze durchfahren wir eine kleine Siedlung, wo wir sehr herzlich von den Einheimischen begrüßt werden,
die uns schon aus der Ferne länger beobachtet hatten.
Auch hier scheint es also keine Vorbehalte gegenüber Bikern zu geben! :-)
Anschließend tauchen wir in den Wald ein und rollen über Stock und Stein hinab zur Rhone.
Weiter unten schauen wir nur leider nicht in die Karte und vernichten die letzten Höhenmeter auf einen Karrenweg.
Na, was soll's. Wir haben ja auch so noch einen erstaunlich guten Tag gehabt, denn die Gewitter sind hier zumindest ausgeblieben!
Wolken überm Aletsch
Da es heute noch regnerischer werden soll, planen wir in Liftnähe zu bleiben,
eine kurze, klassische Aletschrunde zu drehen und je nachdem noch die ein oder
andere bahnunterstützte Abfahrt dranzuhängen.
Der Blick das Fieschertal hinauf sieht allerdings schon morgens recht bedrohlich aus.
Dunkle Wolken hängen in den Bergflanken. Na, mal sehen was uns das Wetter noch beschert!
Mit Hilfe der Bahnen gewinnen wir schnell an Höhe und werden bereits vor der Gipfelstation vom dichten Nebel verschluckt.
Der Vorteil des Wetters ist dafür natürlich der mäßige Andrang.
Vermutlich wäre es bei guten Bedingungen nicht so ratsam hier zu biken.
Dafür haben wir aber auch nur mäßiges Panorama und freuen uns über jede Wolkenlücke,
während wir auf dem teilweise recht verblockten Weg allmählich zum größten Gletscher der Alpen hinabfahren.
Trotzdem sehr beeindruckend wie sich die Eismassen in erstarrten Wellen langsam ins Tal hinabwälzen!
Als wir gerade wieder durch ein Geröllfeld fahren, passiert es dann - Hannes geht über den Lenker.
Ihm ist nichts passiert, aber der ursächliche Defekt verhindert das Weiterfahren!
Zumindest bis zum Ersatzteillager im Auto.
(Aufgrund des positiven Kontakts zum Hersteller gibt's keine genaueren Details).
Aber Moment, das Rad lässt sich ja noch nicht einmal schieben!
Es war so unglücklich auf einer Felskante aufgeschlagen, dass es den Hinterbau verzogen hatte.
Auf jeden Fall blockiert nun die hintere Bremse total,
da es die Scheibenbremsaufnahme nach innen gedrückt hatte.
Tja, runterzutragen ist bei dem Geröll zwar noch sinnvoll, anschließend aber nur unnötig mühsam.
Und da wir das Rad später ohnehin wieder fahrtüchtig machen müssen, zückt Hannes kurzerhand den Leatherman,
klappt die Feile aus und bearbeitet Adapter, Bremsaufnahme und Schrauben.
Mehrere Millimeter Material müssen glauben, bis sich das Hinterrad wieder halbwegs drehen lässt.
Nach dem Reparaturstopp geht es auf direktem Weg zur Mittelstation der Fiescherbahn.
Zwischendurch öffnet der Himmel doch noch seine Pforten und wir suchen im Tunnel unter dem Tälligrat Schutz.
Bisher war das Wetter trotzdem wieder viel besser als erwartet!
Für Unterhaltung bei der Regenpause sorgt schließlich eine Ziegenherde. Die neugierigen Viecher haben es auf unsere Brote abgesehen!
Irgendwann hört aber auch dieser Regen auf und wir lassen die Ziegen hinter uns.
Bei der Mittelstation löst Hannes geknickt die nächste Talfahrt,
während Felix und ich uns die ausgeschriebene Downhillstrecke hinab nach Fiesch vorknöpfen.
Und die Strecke kann was! Es gibt zwar keine schwierigen Schlüsselstellen.
Der Trail ist ab der Baumgrenze jedoch schön schnell, steil und steinig. Was für ein Spaß!
Man sollte allerdings auch hier mit Wanderern rechnen, wie wir zwei Mal feststellen können.
Am Parkplatz folgt erstmal wieder Ernüchterung.
Hannes überlegt den Urlaub abzubrechen und mit dem Zug die verfrühte Heimreise anzutreten.
Sein Rad ist zwar wieder fahrbereit, aber die Hinterbremse schleift trotzdem noch recht stark,
der Hinterreifen hängt in Kurven am Hinterbau und seine vordere Bremse nervt die
Tage sowieso immer wieder durch frühzeitiges Fading.
OK. Felix und ich vergnügen uns noch einmal auf der DH-Strecke.
Dann fahren wir zurück zum Hotel, um uns mit den neusten Wetterdaten aus dem Internet zu beratschlagen.
Hmmm ... für den morgigen Freitag wird auch noch mal ab Mittag mit Gewittern gerechnet.
Doch von denen sind wir bisher ja auch immer verschont geblieben.
Und ab Samstag Mittag soll sich die Sonne wieder durchsetzen.
Für Sonntag ist sogar Sonne pur vorhergesagt!
Mit der Aussicht vielleicht doch noch das Bishorn anzugehen -
schleifende Bremsen fallen beim Bergauftragen ja nicht so ins Gewicht -
können wir Hannes dann doch noch zum Bleiben überreden.
Laut Hüttenwirt waren die Bedingungen Anfang der Woche ja recht gut.
Ist halt nur die Frage was die letzten Tage dort oben bewirkt haben!
Egal, wir werden einfach mal so hinaufgehen und nachschauen.
Wenn's nicht passen wird, haben wir trotzdem noch eine lange Abfahrt ins Tal zurück.
Nach der Planung der nächsten drei Tage tanken wir auf der überdachten Terrasse ordentlich Kalorien nach
und freuen uns der ergiebigen Regenfront entgangen zu sein, welche bis in den späten Abend hinein über uns hinwegzieht.
Vorzeitiger Gipfelsturm
Unser Plan ist es nach den drei Nächten im Tal von Freitag auf Samstag über 2.800 m zu nächtigen,
am Samstag zur Cabane de Tracuit aufzusteigen und am Sonntag Morgen eventuell das Bishorn zu besteigen.
Freitag morgens sitzen wir also im Auto auf dem Weg Richtung Akklimatisierungstour und ich rufe zuerst einmal auf der Cabane de Tracuit an, um die Übernachtung von Sa auf So zu reservieren.
Doch dumm gelaufen - die Hütte ist voll! Warum hatten wir auch nicht schon gestern angerufen?!
Unsere erwartungsfreudige Laune gerät ins Wanken. Was sollen wir nun machen?
Denn ausschließlich der Sonntag Morgen verspricht optimales Wetter!
Also, theoretisch wär's natürlich möglich so spät auf der Hütte anzukommen, dass sie uns
nicht mehr abweisen können. Würde aber vermutlich nicht den besten Eindruck
machen ... zumal wir als Biker ohnehin genug auffallen werden!
Der nächste Vorschlag ... wir schleppen die Schlafsäcke mit rauf und übernachten nahe der Hütte.
Tja, das wäre aber nur dann möglich, wenn auch ich meine Penntüte mitgenommen hätte!
Und ganz ohne zu schlafen?! Wir könnten uns am Samstag tagsüber ausruhen und
dann praktisch im Alpinstil um 21, 22 Uhr losgehen, die Nacht komplett durchlaufen und bis zum Morgengrauen auf dem Gipfel stehen!
Felix' Idee klingt so krass, dass sie doch irgendwo reizt.
Wenn es klappen sollte, wäre es für die Bergsteiger bestimmt eine fette Überraschung!
Ich habe trotzdem so meine Zweifel. Felix und Hannes sind wirklich Tiere!
Die beiden würden das problemlos durchziehen.
Auch waren sie schon mehrfach oberhalb der Viertausendermarke unterwegs und wissen aus Erfahrung wie sie auf die dünne Luft reagieren.
Ich bin jedoch nie über 3.500 m hinaus gekommen!
Dazu noch das zusätzliche Gepäck mit den Steigeisen, Seilen, warmen Klamotten und extra viel Wasser für den langen Aufstieg.
Keine Ahnung, wie gut ich da konditionell in dieser Höhe mitkäme ...
Hannes wirft jedoch noch eine Alternative ein.
Wie wär's damit jetzt direkt zur Hütte aufzusteigen?
Das Wetter für heute Abend und den nächsten Morgen soll zwar nicht so gut sein und wir hätten keine weitere Akklimatisierung.
Aber dafür sind wir gerade schön ausgeruht.
Vielleicht ist uns Petrus ja doch noch mal wohlgesonnen.
Und falls nicht, entscheiden wir eben erst dann vor Ort was zu tun ist.
Alles klar, ich rufe erneut bei der Hütte an:
"Wie? Sie sind auch am Samstag ausgebucht? Und wenn wir auf dem Boden schlafen? ... OK, ich warte ...
Ah, doch noch drei Plätze frei? .... Super, wir kommen!"
Damit ist die Sache klar und wir fahren direkt nach Zinal. :-)
Dort breiten wir auf dem Parkplatz erst einmal unsere Ausrüstung aus und packen die Rucksäcke neu.
Dabei fällt mir auf, die Winterhandschuhe vergessen zu haben!
Nun, dann muss es eben mit den langen Radhandschuhen und den Regenüberziehern gehen ...
Kurz vor Mittag geht's dann los.
Bis zur Tracuit-Hütte auf 3.256 m erwarten uns ca. 1.700 Hm, fast alles davon mit dem Rad auf den Schultern.
Aber darin sind wir ja geübt. *g*
Wir gehen nicht auf direktem Weg hinauf, sondern machen einen Schlenker über den Roc de la Vache, um noch ein paar weitere Eindrücke mitzunehmen.
Schade nur, dass wir dabei noch mal 100 Hm verlieren. Ist aber auch nicht weiter tragisch - wobei das nicht für Hannes gilt.
Unser Pechvogel hat sich mit den steigeisenfesten Schuhen nach kurzer Zeit Blasen gelaufen,
obwohl er schon bei den ersten Anzeichen präventiv Blasenpflaster auf die Ferse geklebt hatte.
Auch Tape scheint nichts zu bringen. Egal, das Ziel steht fest und er arbeitet sich mit uns hinauf.
Als wir uns auf den letzten Höhenmetern vor dem Col de Tracuit durch das Geröll arbeiten,
werden wir von Wanderkollegen fotografiert und einer hebt uns sogar das 901 entgegen,
als wir die Bikes am Col an einer seilgesicherten Felsstufe hochschleppen.
Und da stehen wir nun! Links von uns der Gletscher, ca. 150 m vor uns die Hütte,
dahinter der Tête de Milon (3.693 m) und links von ihm Weiss- (4.506 m) und Bishorn (4.153 m).
Wir sind schon nah am Ziel!
Die Terrasse der Hütte ist voller Leute und wir bleiben nicht lange unentdeckt.
Während wir uns nähern, wenden sich uns immer mehr Leute zu und andere werden herbeigerufen.
Und als wir in Hörweite gelangen, rufen uns die ersten laut "Vive les bleus!" zu,
womit de gesamte Terrasse anfängt zu applaudieren und jubeln.
Wow, mit solch einer Begrüßung hatten wir nun wirklich nicht gerechnet!
Aber wie sie wohl reagieren, wenn sie merken, dass wir auch aufs Bishorn wollen - mit Bikes!?
Zuerst kommen die üblichen Fragen: Was wiegen die Räder? Wo wollen wir wieder runter (als ob es viele Alternativen gäbe LoL)?
Ist das auch wirklich fahrbar? Und so weiter ...
Bei einigen lassen wir durchschimmern auch aufs Bishorn zu wollen und kommen
dabei mit einem Deutschen ins Gespräch der wohl der Führer einer Gruppe zu sein scheint.
Die Bedingungen klingen sehr vielversprechend.
Es gibt wenig Schnee und obwohl es auf dem ansonsten harmlosen Gletscher mehr Spalten gäbe als sonst, so seien diese gut sichtbar.
Während Hannes seinen Füßen ein wenig Ruhe gönnt, laufen Felix und ich über den Schutthügel vor der Hütte zum Gletscher hinüber.
Der Schnee ist jetzt natürlich recht sulzig, an Fahren ist nicht zu denken.
Wenn's friert, wird's aber wohl gehen. Nur nimmt die Bewölkung immer mehr zu.
Mit einer klaren, kalten Nacht ist also nicht zu rechnen.
Und auch wenn wir mal wieder den Gewittern davon gekommen sind, so bricht abends schließlich doch noch ein lang anhaltenderRegen über uns hinein.
Warten wir ab, was der Morgen bringt. Und der beginnt schon recht früh für uns.
Auch wenn nicht ganz so früh, wie ursprünglich angedacht!
Wir wollten eigentlich um 3 Uhr starten, im Morgenlicht den Gipfel erreichen und direkt abfahren,
bevor der Untergrund wieder antaut.
Doch dann hätten wir auf der Abfahrt die ganzen Seilschaften vor uns auf dem Weg!
Und den wollen wir wegen der Spaltengefahr auch nicht verlassen.
Im Gegensatz zu den Seilschaften sind wir nämlich nicht angeseilt, da es mit den Bikes zumindest auf der Abfahrt nicht so praktikabel wäre.
Unsere Überlegung ist einfach, dass auf der ausgetretenen Spur die letzten Tage bereits mehrere Hundert Leute hinauf sind,
so dass das Risiko nicht so hoch ist.
Auf jeden Fall ist der neue Plan nun mit allen anderen zu starten und dafür auf der Abfahrt nur noch wenigen Gruppen zu begegnen.
Wir stehen also doch erst kurz vor 5 Uhr auf und warten bis unsere Essensschicht dran ist.
Nachdem wir zuvor einem Blick rausgeworfen haben, lassen wir es aber erstmal ruhig angehen!
Die Temperatur ist zwar gut. Wir haben -3°C. Nicht richtig kalt, wenn auch kalt genug, um den Schnee wieder gefrieren zu lassen.
Dafür ist es aber noch total bewölkt und die Vorstellung auf dem Gipfel bei Null Sicht inmitten einer Wolke zu stehen gefällt uns überhaupt nicht.
Und in der Kälte oben auf Besserung zu warten ist ebenfalls keine Option.
Daher machen wir gemütlich, schauen den anderen beim hektischen Treiben zu und lassen sie einfach alle ohne uns davonziehen.
Felix und Hannes legen sich schließlich noch einmal ins Lager, während ich die Karte für die nächsten Projekte studiere.
Eine Stunde später passiert es endlich - der Himmel reißt auf und der Blick auf unser Gipfelziel wird wieder frei!
Um 7.45 Uhr starten wir somit als letzte Gruppe von der verwaisten Tracuit-Hütte. Und der Schnee auf dem Turtmanngletscher ist so schön gefroren, dass wir im Flachen sogar das Meiste fahren können. Die etwas eingebrochenen Schneebrücken sind gut sichtbar und wir passieren nur wenige Spalten neben dem Weg. Schnell kommen wir voran und am Fuß des Bishorns sehen wir schließlich die ganzen Seilschaften die sich einer Karawane gleich hinaufarbeiten.
Auf harten, kompakten Harsch geht es weiter, weshalb wir die Steigeisen anlegen.
Der nächste Steilhang glänzt verdächtig in der Sonne.
Mit den Steigeisen kommen wir zwar mühelos hoch, aber ob die Reifen auf dieser vereisten Oberfläche auch Grip haben werden?
Vielleicht hätte ich doch besser den Vorderreifen mit der weichen Gummimischung austauschen sollen?
Nun ist er total verhärtet!
Zum Glück wird es nach oben hin wieder etwas flacher und die Schneeauflage nimmt zu.
Wir überholen die ersten Seilschaften und ein Bergsteiger witzelt sogar darüber von Radfahrern überholt zu werden!
Was nervt ist allerdings der eisige Wind.
Er zerrt an den Rädern und auch wenn ich es vermeide Metall zu berühren,
so greife ich sicherheitshalber ein paar Mal an die kalte Gabel.
Um die Finger zu wärmen, balle ich sie unter den Handschuhen zu Fäusten. Ansonsten ist mir aber angenehm warm!
Immer wieder wandert der Blick zurück Richtung Rhonetal. Der Ausblick von hier oben ist phänomenal!
Wir schauen auf die Wolken hinab und Richtung Norden wirken die Berge gleich viel niedriger.
Aber es sind nur kurze Augenblicke, bevor es weitergeht und der vergletscherte Hang das Sichtfeld wieder komplett einnimmt.
Es läuft erstaunlich gut, die Höhe macht uns scheinbar gar nichts aus.
Meine einzige Sorge ist der Bergschrund am Gipfel.
Ich hatte Fotos gesehen, wo man über die Spalte hinwegklettern musste.
Seile haben wir zwar für den Notfall dabei.
Mir wär's aber trotzdem lieber sie im Rucksack lassen zu können.
Nach fast zwei Stunden erreichen wir schließlich den Bergkamm und das Mattertal tut sich vor uns auf!
Gegenüber ragt der Dom, der höchste innerschweizer Berg, mit seinen 4.545 m aus der Viertausenderkette heraus
... und zu unserer Rechten verläuft ein ausgetretener Schneeweg den Kammaufschwung zum Gipfel hinauf.
Und zwar am Bergschrund vorbei - puh!
Gerne würde ich meine zwei Freunde von hier aus bei der Gipfelbesteigung fotografieren.
Das wäre ein Hammer Motiv vor dem Weisshorn.
Doch der Wind bläst andauernd Schnee über den Kamm und in mein Gesicht. Da lass ich die Kamera lieber stecken!
Aus dem gleichen Grund haben sich im Windschatten des Gipfels die Bergsteiger gesammelt.
Und auch diesmal bleiben Jubel und Glückwünsche nicht aus, als wir uns nähern.
Nachdem wir die freundlichen Bergkollegen passiert haben, trennen uns nur noch wenige ausgesetzte Höhenmeter vom Gipfel.
Und dann haben wir es endlich geschafft. Berg heil! Wir sind oben!
Wir befinden uns ganz alleine am höchsten Punkt,
als wir unser Gipfelglück genießen.
Dieser wird aber recht schnell vom Wind verdrängt!
Nach ein, zwei Fotos vor dem Weisshorn, möchte ich die Kamera schon nicht mehr halten und drücke sie Hannes in die Hand!
Ansonsten hätte ich noch ein Rundumpanorama geschossen. Aber was soll's.
Fotos gibt's im Netz ja genug. Jetzt möchte ich doch lieber schnell weg von hier oben!
Glücklich und zufrieden gesellen wir uns schon bald zu den anderen im angenehmen Windschatten und genießen noch mal in Ruhe unser Erfolgserlebnis.
Ich wärme meine Finger wieder etwas auf und nachdem wir die Steigeisen verstaut haben,
beginnt der spaßigere Teil der Unternehmung!
Auf den ersten etwas flacheren Metern schlingern wir noch ein wenig durch den Schnee.
Doch die Oberfläche wird schnell fester und der Hang steiler.
Der Grip ist auf den schneefreien Flächen sogar recht gut und Hannes rollt mal wieder in seiner gewohnter Manier auf dem Vorderrad hinab. Bei steilen Querfahrten muss dann aber doch ein Fuß am Hang stabilisieren und eine kurze, glatte Eispassage müssen wir vorsichtig zu Fuß (ohne Steigeisen) passieren. Den gesamten Rest können wir jedoch abfahren.
Auch den glatten Steilhang über den ich mir noch beim Aufstieg Gedanken machte. Einfach Schuss runter!Und da die Seilschaften beim Abstieg abkürzen und wir auf der Aufstiegsroute bleiben, kommen wir sogar ganz ungestört wieder am gespurten Pfad an, der uns über den flachen Abschnitt des Gletschers zurück zur Hütte führt.
Dort überraschen wir die Neuankömmlinge damit auf Bikes vom Gletscher zu kommen und genießen noch die restlichen, wohlverdienten 1.600 Hm Abfahrt.
Nach dem wechselhaften Wetter die Zeit zuvor, hätte ich nicht gedacht, dass es praktisch auf Anhieb mit dem Bishorn klappen würde. Und wir konnten bis auf das verblockte Geröllfeld unterhalb der Hütte tatsächlich alles komplett abfahren!
Nun gehören wir also auch zu dem kleinen Kreis der Viertausender-Biker hier in den Alpen!
Gipfelstürmer Lukas Stöckli
ist 2007 zusammen mit Bike-Legende
Frischi
bereits auf dem Breithorn (4.164 m) gewesen.
Und im selben Jahr begegneten wir Wanderern, welche Biker auf der Abfahrt vom
Gran Paradiso (4.061 m) antrafen.
Wie weit sie mit ihren Rädern hinauf sind wissen wir zwar nicht.
Aber der höchste Alpengipfel ist angeblich ohnehin schon bezwungen worden.
Bereits 1995 soll ein Brite den Mont Blanc (4.808 m) befahren haben!
(Wobei diese Aktion noch einen draufsetzt. *g*)
Den absoluten Höhenrekord halten seit diesem Jahr allerdings zwei Deutsche - mit unglaublichen 7.221 m!
Ganz so hoch sind wir zwar nicht hinaus, doch für den persönlichen
Höhenrekord hat es allemal gereicht! :-D
Vielen Dank an meine beiden Mitstreiter und vor allem an Felix, der überhaupt erst auf die Bishorn-Idee kam!
Und schade, dass es mit Alex und den "Flöhen" zeitlich nicht mehr geklappt hatte.
Zum Glück gibt es noch genug andere Projekte!
Jetzt können wir auf jeden Fall ganz relaxt die nächsten Dreitausender angehen. ;-)