Über den Wolken
49 km • + 1.522 hm • - 1.933 hm • 05:04:00 Nettozeit
An diesem Morgen
hatten wir so richtig geschummelt! *g* Wir wollten für die Fotos
möglichst schnell wieder auf dem ca. 600 m über uns verlaufenden
Grenzkamm, um Zeit auf der unspektakulären Asphalt-Auffahrt zu sparen
und das Morgenlicht auszunutzen. Die Sache mit dem Licht sollte sich zwar
als Wunschdenken herausstellen, der Himmel zog sich im Tagesverlauf immer
mehr zu, wir fanden aber dafür heraus, wie man fünf Personen,
vier Bikes und Ausrüstung in einen Mercedes-Kombi quetschen kann.
Nach einem kargen Frühstück ließen wir uns nämlich
mit einem Taxi shutteln! Also nicht wundern über den Sprung im Höhendiagramm.
;-)
Am Grenzkamm wurden wir übrigens an der Baustelle einer neuen Hütte
rausgelassen. Womöglich kann man sich demnächst den morgendlichen
Anstieg von Limonetto ersparen und direkt hier oben übernachten.
Von der Grenzstraße aus bestaunten wir als erstes die bekannte
französische Passstraße hinauf zum Colle di Tenda
(1.871 m). In 48 engen Kurven windet sich die 1788 gebaute, 8 km lange
Schotterpiste den Kamm hoch. Heutzutage macht man es sich da viel einfacher
und fährt durch den ältesten Tunnel der Alpen, dem Tenda Tunnel.
Wir kamen an einem weiteren Fort vorbei, als wir der Grenzstraße
bis kurz vor Baisse de Peyrefique (2.028 m) folgten.
Bei einigen verlassenen Militärgebäuden bogen wir rechts in
einen Weg ab, der uns schließlich zu einem Steig
führte, welcher uns am Hang entlang bis zum Colle ovest del
Sabbione (2.128 m) brachte. Beim kleinen Schlenker durch den
französischen Parc National du Mercantour kamen
wir an einem riesigen Verbotsschild vorbei. Tja, bei den vielen Verboten
müssen wir doch glatt das Fahrverbot übersehen haben! ,-p Leider
zog Nebel aus den nördlichen Tälern die Bergflanken herauf und
hüllte uns auf dem ca. 1 ½-stündigen Schiebestück
zum Colle del Vei del Bouc (2.620 m) bis auf 2.300 m
vollständig ein. Mit der Höhe und dem feuchten Nebel sank die
Temperatur bis auf 8 °C, was das schweißtreibende Bergaufschieben
dafür wieder erträglicher machte. In engen Spitzkehren schraubte
sich der Militärpfad bis zum bewohnten Ricovero Vernasca
(2.333 m), wo wir endlich die tiefhängende Wolkendecke durchstießen
und nun wenigstens die Spitzen der umliegenden
Gipfel und Herden von Gämsen
bei ihren Kletterkünsten bewundern konnten. Kurze Stücke des
in der Karte als Pfadspur gepunktet eingezeichneten Weges über Fels
und durch Geröll waren von hier aus sogar fahrbar.
Wir sollten aber für die Mühen mit der ersten 'richtigen' Abfahrt
der Tour belohnt werden. Als es leicht zu tröpfeln anfing, beendeten
wir unsere Rast
beim Colle del Vei del Bouc und stürzten uns auf
einem Pfad 1.200 Hm hinab bis ins Vallone di Monte Colombo.
Entlang des Hangs führte uns der stellenweise abgerutschte Single
vorbei am klaren Lac del Vei del Bouc (ca. 2.000 m) und
schließlich in vielen Spitzkehren weiter hinunter ins Tal. Die Herausforderung
im letzten Stück bestand hauptsächlich darin die Ideallinie
über den wie von einer Gerölllawine überschwemmten Trail
zu finden. Andauernd rechneten wir mit dem nächsten Durchschlag.
Der blieb zwar aus, doch verstauchte sich Gudrun bei einem Sturz ihr rechtes
Handgelenk. Doc Lorenz fixierte ihre Hand fachmännisch mit Tape,
so dass sie weiterfahren konnte – wenn auch mit zusammengebissenen
Zähnen!
Kurz vorm Ende des Trails geschah mir dann auch ein Missgeschick. Als
ich aus einem kurzen, dunklen Waldstück wieder hinaus ins Freie schoss,
übersah ich vor dem hellen Hintergrund die weiße Schnur, welche
quer über den Weg
gespannt war! Ungebremst fuhr ich in sie hinein
... und durchtrenne sie mit der rechten Hand. Na, ich hatte mich ohnehin
schon immer gefragt, wofür die Polsterung auf der Oberseite der Handschuhe
gut sei!
Auf einer Asphaltstraße ließen wir uns nach der Abfahrt ins Val Gesso rollen, welchem wir bergauf nach Westen folgten. Wegen des einsetzenden Regens mussten wir uns längere Zeit in einem Dorf unterstellen und kamen so etwas später in Terme di Valdieri (1.368 m) an. Hier erwartete uns als Posto Tappa erfreulicher Weise ein altes Grand Hotel! Da das eigentliche GTA-Lager belegt war, bekamen wir zwei geräumige Doppelzimmer mit wirklich super hohen Decken. 36 Thermalquellen entspringen hier aus 2.000 m Tiefe. Nach einer obligatorischen ärztlichen Blitzuntersuchung - wie kann man bloss die Herzfrequenz durch zwei Sekunden Pulsabhören ermitteln!? - gönnten wir uns eine zehnminütige Dampfsauna in einer Schwefelwasserstoffgrotte. Länger hätten wir es ohnehin nicht ausgehalten! Anschließend sollten wir uns nach den Anweisungen des Kurpersonals in Decken gehüllt noch 15 Minuten hinlegen. Das war vielleicht entspaaaannend! Die Muskeln wurden spürbar lockerer und wir hätten direkt an Ort uns Stelle einpennen können. Aber da wartete doch noch ein Vier-Gänge-Menü auf uns! Was für ein Tag ... :-)