Nachts unter Höhlenforschern
41 km • + 2.046 hm • - 1.410 hm • 05:20:00 Nettozeit
Die Nacht hätte so ruhig verlaufen können, doch mit ihrem dreimalig geschrienen „HAAALLO!!“ riss Gudrun das Lager aus dem Tiefschlaf. Sie schien vom heutigen Schiebestück geträumt zu haben! Zum Glück erzählte sie uns aber nichts davon.
Der frische Morgen begrüßte uns nun wieder mit Sonne und blauen Himmel! Die freundlichen Augsburger gaben uns zwei kleine PET-Flaschen, so dass wir der Wasserknappheit ein wenig gelassener entgegensahen.
Zum Aufwärmen ging es im weichem Morgenlich erst einmal wieder die 500 hm hoch zum A.V. ... wobei Gudrun eine der Cleat-Schrauben verlor. Zum Glück hield das Cleat aber auch so noch. Der A.V. verlief über eine breite, jedoch grobschotterige Grenzstraße. Besonders auf der ersten der zwei folgenden Pisten-Abfahrten hatten wir viel Spass mit dem losen Untergrund und den Bodenwellen, welche uns zu kleinen Sprüngen ermunterte. Wir folgten der Grenzstraße schließlich bergauf bis zu Cima Ventosa (2.136 m). Auf dem Weg zur Anhöhe machten wir eine kleine Pause, bissen in die leckeren Semmeln des Rif. Allavena und genossen den Ausblick in das französische Vallone de Bens. Bei Cima Ventosa wechselten wir von der Trasse auf einen Steig entlang des Grenzkamms. Wir hätten zwar einfacher auf der Straße weiterfahren können, erlagen aber der Verlockungen des Singles. Manche Steigungen mussten wir dann zwar zu Fuß bezwingen, konnten den Großteil aber ohne weiteres auf zwei Rädern bewältigen. Der Pfad verlief jedoch etwas unterhalb des Kamms, so dass uns der Blick nach Frankreich verwehrt wurde.
Auf dem ansonsten schönen Grenzpfad schlug nun der Plattenteufel zu! Bei der ersten Abfahrt traf es typischer Weise mal wieder mich. Klar, ein Durchschlag! Ich hatte am Vortag, bei dem es hauptsächlich bergauf ging, wegen des groben Untergrunds Luft aus den Reifen gelassen, jedoch vergessen sie morgens wieder aufzupumpen. Während ich zusammen mit Lorenz den Schlauch wechselte, fuhren Gudrun und Marco schon weiter, um die Zeit für Fotos zu nutzen. Sehr weit sollten sie allerdings nicht kommen! Ein scharfkantiger Stein bohrte sich wenig später durch Marcos Hinterreifen. Der Reifen war aber zum Glück nicht richtig beschädigt und für alle Fälle hatte ich ja auch einen Ersatzreifen dabei. Bike-Läden gibt's hier nämlich keine! Zwei Plattfüsse schienen Marco aber nicht zu reichen und er hatte wenig später gleich noch einen Durchschlag! *g*
Der Hammer des Tages sollte aber erst noch folgen! Der Single mündete
irgendwann wieder auf die breite Grenzstraße, der wir bis zum geschlossenen
Rifugio Barbera (2.079 m) folgten. Hier konnten wir auch
endlich wieder unsere Wasservorräte auffüllen. Noch lief alles
nach Plan ... (Diese Passage besser laut BIKE-Roadbook
direkt nach Limonetto weiterfahren!)
Der Alpenrücken – und mit ihm Grenzverlauf und -straße
– macht an dieser Stelle einen Knick nach Westen. Unser Tagesziel
war das Rifugio Garelli (1.970 m), welches wir in einem
weiten Bogen um den Grenzknick herum anfahren wollten. Dazu suchten wir
unterhalb vom Rifugio Barbera einen Trail, um zuerst einmal an den felsigen
Hängen entlang bis zur Biwak-Hütte Capanna Saracco Volante
(2.220 m) zu kommen. Leider fanden wir den Einstieg nicht und ließen
uns von der ungenauen Karte dazu verleiten viel zu weit ins Tal hinabzufahren.
Wahrscheinlich war es nämlich doch der Pfad, der direkt am Rifugio
startete. Aber egal! Anstatt noch einmal alles zurück zu fahren bzw.
schieben, nahmen wir nun über Passo di Mastrelle
(2.023 m) lieber direkten Kurs auf Saracco Volante. Dafür mussten
wir unsere Bikes aber auch 400 Hm mühsam den Hang hinauf schleppen.
Wow, das ging in die Waden! Hier zeigte sich mal wieder wie flink Marco
bei Trage- und Schiebestücken
war. Im nu war er oben! Aber wir hatten
noch ein langes Wegstück vor uns. Nach 18 Uhr zog auf einmal dichter
Nebel auf und es versprach rasch dunkel zu werden. Vom Rif. Garelli trennten
uns zwei Bergkämme für die wir bestimmt noch zwei Stunden gebraucht
hätten! Wir machten uns auf eine Nachtwanderung gefaßt und
ich war der einzige der zumindest eine kleine Rückleuchte dabei hatte.
Am meisten sorgten wir uns jedoch um Gudrun, welche sich taper, aber völlig
entkräftet den Anstieg hoch kämpfte.
Nach insgesamt 1 ½ Stunden Plackerei tauchte zumindest das kleine,
rote Biwak Saracco
Volante vor uns im Nebel auf. Wir gingen nicht davon aus jemanden
anzutreffen, doch als wir näher kamen, sahen wir tatsächlich
Leute aus der Behausung kommen! Sie rieten uns ab weiterzufahren. Der
lediglich durch rot markierte Steine gekennzeichneten Pfad quer durch
die Grasprärie sei im Nebel nicht auffindbar! Sie hatten erst kürzlich
noch zwei verirrten Wanderern weiterhelfen müssen. Wir hatten allerdings
Glück im Unglück. Es gab einen Anbau, das sogennante Winterlager,
in welchem wir übernachten konnten.
Bei den Leuten handelte es sich um ein siebenköpfiges etwas verwahrlostes
Team von Höhlenforschern, welche bereits sechs Wochen hier oben auf
engem Raum zusammen hausten. Ganz ohne die gewohnten Annehmlichkeiten
wie fließendes Wasser oder sanitäre Anlagen! Sie drehten einen
Dokumentarfilm für das italienische Fernsehen, denn direkt vor der
Hütte befindet sich der Einstieg zu einem der bedeutendsten Höhlensysteme
Italiens - ca. 35 km lang und bis zu 600 m tief! Wären wir einen
Tag später gekommen, hätten wir vor verschlossener Türe
gestanden, denn die Dreharbeiten waren abgeschlossen und das Team wurde
am nächsten Tag per Hubschrauber abgeholt. Das Winterlager wäre
zwar für Notfälle offen gewesen, doch stand der Gasherd mit
dem Notproviant in der eigentlichen Unterkunft. So konnten wir uns wenigstens
ein wenig an den Hüttenvorräten bedienen und aus Tütensuppen
etwas Warmes kochen und dazu Dosenerbsen essen. Der Abwasch erfolgte draußen
im Bach und der war eiskalt!
Ganz unverhofft wurde es dann noch zum unterhaltsamsten und lustigsten
Abend der ganzen Tour. Die vielgereisten Forscher packten Käse und
Brot aus und erzählten von ihren Expeditionen und Erlebnissen, während
der 'Mug’
mit Rotwein ständig Reih um ging - zusammen mit noch ganz anderem
Zeug … ! Es hing auf jeden Fall ganz schön was in der Luft!
lol
Als der Abend schon vortgeschrittener war, gab es sogar eine kleine Darbietung
als sich eine Forscherin durch eine kleine an einem Dachbalken hängende
Schlaufe hindurchwand und andere versuchten sich unter den Verstrebungen
des Tischs hindurchzuzwängen. Alles Übungen für die engen
Felsöffnungen, die zur Not aber auch einfach freigesprengt werden.
Da kennen sie nichts! *g*