Ruhetag ... oder so ähnlich
35 km • + 1.600 hm • - 1.300 hm
Heute ist unser Ruhetag. Zumindest an dem gemessen, was wir bereits die ersten
zwei Tage auf unser Tour absolviert haben, erscheint es uns so. Uns erwarten
zunächst nur 250 hm Tragen bis zum Pitztaler Jöchel
(2.996 m), dann die Befahrung des Gletschertrails nach Vent und der vergleichsweise
moderate Aufstieg zur Similaunhütte am Niederjoch - 1.000 hm, davon fast
500 hm fahrbar.
Es ist kalt heute Morgen, in der Nacht hat es wieder geregnet. Dafür herrscht
jetzt absolutes Traumwetter und mit Fernsicht. Ab der Braunschweiger
Hütte (2.758 m) können wir nur wenige Meter fahren, dann
geht es auf einem schmalen Trail nach
oben. Und wieder ist Schieben und Tragen angesagt. Uns wird trotz der kühlen
Temperaturen hier am Gletscher schnell warm. Meine Blasen an den Fersen schmerzen
bei jedem Schritt. Ich muß diese heute dringend versorgen, sonst kann
eine Entzündung die Tour für mich schnell beenden.
Wir erreichen einen kleinen Sattel bevor
die Kletterei im schattigen Nordwesthang
beginnt.
Harry: Zuerst dachte ich, wir wären schon auf dem Pitztaler Jöchl. Doch das konnte es noch nicht gewesen sein. Kurz zuvor fragte mich ja noch ein Wanderer, ob wir wirklich mit dem Rad durch die Wand klettern wollten. Dann sah ich das Joch und eine dunkle ausgesetzte Felswand. Ich blickte zu Dave und sagte „so eine Sch.....“
Hier wird es passagenweise mit den geschulterten
Bikes ganz schön eng. Ein Fotograf (www.mannimmond.com)
sitzt zwischen den Felsen und freut sich über das unerwartete Motiv auf
dem Steig. Schließlich erreichen wir das Joch
und blicken nach unten in Richtung Rettenbachferner..ein Skigebiet im Sommer.
Doch zunächst erwartet uns ein Schneefeld. Wir legen wieder einmal die
Protektoren an, reduzieren den Luftdruck
in unseren Reifen und dann geht es abwärts. In der ausgetretenen Spur im
Schnee geht es einigermaßen kontrolliert den Berg hinab. Bereits nach
einigen hundert Metern endet das Schneefeld
und wir zerren die Bikes abermals durch grobe und wackelige Geröllbrocken.
Doch auch diese Passage ist bald bewältigt und uns erwartet noch ein technisch
anspruchsvoller Trail bis hinab zu den
Stationen des Pistenrummels.
Hinauf zum Tiefenbachferner müssen wir durch den 2 km
langen Straßentunnel. In diesem
finden diesen Sommer Bauarbeiten statt. Es stinkt nach Abgasen und je weiter
wir ins schwarze Loch vordringen, desto lauter wird der Baulärm. Dann steht
ein Bagger im Tunnel und versperrt uns den Weg. Erst nach einigen Minuten Wartezeit
an diesem wirklich unwirtlichen Ort können wir die Baustelle passieren.
Endlich am Tunnelende angekommen sind
wir froh, wieder frische Bergluft statt erstickenden Dieselqualm atmen zu können.
Ab hier beginnt nun der Gletschertrail nach Vent (1.895 m).
Nachdem ich das letzte Mal vor zwei Jahren im Nebel so gut wie nichts von der
beeindruckenden Landschaft um uns herum mitbekommen hatte, präsentiert
sich dieser Panoramaweg der Extraklasse
heute von seiner schönsten Seite.
Wir spielen mit den fahrtechnisch anspruchsvollen
Sektionen, genießen heute aber auch einfach mal die längeren
flowigen Rollabschnitte. Immer wieder
bremsen steile Gegenanstiege und Schiebepassagen unsere Abfahrt. Auch Fotopausen
gehören heute reichlich zum Programm. Kurz vor Vent wird der Trail in einer
sumpfigen und mit bösartigen Wasserrinnen durchzogenen Wiese nochmals zur
fahrtechnischen Herausforderung. Ich komme zweimal kurz ins Straucheln, kann
das Bike aber wie Dave und Harry auch hier fahrend durch diesen Trailabschnitt
bewegen.
Harry: Der Weg durch die Sumpfwiese forderte nochmals volle Konzentration. Man musste höllisch aufpassen, dass man sich nicht auf den rutschigen, nassen und verblockten Steinen flachlegt.
Die Kehren des Schotterweges nach Vent schneiden wir auf dem dazwischen liegen
Trail ab und erreichen schließlich das kleine Bergdorf. Im Gasthof zur
Post machen wir erst einmal Mittagsrast
und stopfen uns den Magen voll mit einer riesigen Portion Kässpätzle.
In einem Sportgeschäft kaufe ich mir zwei Großpackungen Blasenpflaster
und kann so endlich meine geschundenen Füße
behandeln. So steht unserer Weiterfahrt zur Martin-Busch-Hütte
(2.501 m) nichts mehr im Weg. Außer die Portion Kässpätzle
im Magen, die schier unerträgliche Mittagshitze und steile Rampen auf dem
Schotterweg nach oben.
Auf der Hütte trinken wir kurz noch etwas. Ab hier beginnt der Wanderweg
zur Similaunhütte (3.017 m) und die kurze Gletscherquerung.
Dort wo man vor zwei Jahren noch locker übers Eis laufen konnte ist jetzt
eine undurchdringliche Geröllwüste mit hausgroßen Brocken und
Sand dazwischen. In den letzen zwei Jahren hat der Gletscher hier ca. 10 Meter
Eisdicke an Mächtigkeit verloren.
Ein Wanderer meinte, viele gehen inzwischen nicht mehr den alten
Wanderweg, sondern folgen ab der Martin-Busch-Hütte dem Gletscherbach
und gehen direkt übers Eis. Das macht auch Sinn so, zumal durch das Abschmelzen
auf dem alten Weg fast 200 Höhenmeter sinnlos erklommen werden und man
danach wieder absteigen muß...durch besagte Geröllwüste. Wir
haben uns dennoch für den auf der Karte eingezeichneten Weg entschieden
und das Risiko umkehren zu müssen heute nicht in Kauf nehmen wollen.
Nach dem Eis folgt nochmals ein kurzes
Tragestück in einem Geröllhang. Danach erreichen wir die Similaunhütte.
Dave: Auf der Similaunhütte bekommen wir das zuvor
in Vent telefonisch klargemachte Notlager - die komplette untere Etage des Häuschens
neben der Hütte!
Schließlich trudelt noch eine Bike-Truppe aus Rosenheim ein, welche aber
eigentlich primär den schmaleren Reifen unterwegs ist. Sie hatten sich
ihre AlpenX-Route per Stanciu-CD zusammengeklickt, dabei aber gar nicht recht
gewusst was auf sie zukommen würde und waren dann doch etwas frustriert
vom Verlauf ihrer Etappe. Die Abfahrt des nächsten Tages wird sie bestimmt
nicht glücklicher gemacht haben ...
Auf eben diese werden wir in der Gaststube von einem Wanderpärchen aus
dem Sauerland angesprochen. Die beiden fragen uns, wo denn der Sinn dabei sei
mit dem Bike erst aufs Niederjoch rauf- und dann alles zum Schnalstal wieder
hinabzuschieben. Bei ihrem Aufstieg hätten sie keinen einzigen fahrenden
Biker angetroffen! Carsten und Harry versuchten ihnen daraufhin klarzumachen,
dass sie die Abfahrt bis auf drei Stellen bereits schon komplett gefahren seien.
Aber irgendwie wollten sie ihnen nicht so recht glauben.
Na ja, ich kannte diesen berüchtigten Trail ja auch noch nicht und sah
der nächsten Etappe nun um so erwartungsvoller entgegen!